Die Märkte sind hart umkämpft und gleichzeitig häufig gesättigt. Viele Branchen werden von nationalen und internationalen Wettbewerbern bedient. Dabei unterscheidet sich die Qualität von Produkten und Dienstleistungen oft kaum mehr. Um sich als Unternehmen dennoch durchsetzen zu können, entscheiden sich viele Firmen für eine Individualisierungsstrategie. Doch was ist damit gemeint und wie funktioniert eine erfolgversprechende Individualisierung?
Unpersönliche Botschaften kommen nicht an
Bereits Ende der 1980er-Jahre prophezeite der Wirtschaftswissenschaftler Philip Kotler: “The mass market is dead”. Allerdings versuchen viele Unternehmen ihre potenziellen Kunden bis heute mit Massen-Marketing abzuholen. Dabei wurde in Untersuchungen festgestellt, dass 98 Prozent der Botschaften in den Massenmedien nicht beim Konsumenten ankommen. Die Leser und Zuschauer sind durch die aktuelle Reizüberflutung und unzähligen Informationen vollkommen überlastet. Deshalb wird ein Großteil der Nachrichten einfach ausgeblendet.
Das gilt natürlich auch für Werbemaßnahmen. Wer kennt nicht die gigantische Sammlung an Newslettern, die das E-Mail-Postfach verstopft? Empfänger identifizieren rasch, ob es sich um eine persönlich adressierte Nachricht oder eine Massen-Mail handelt. Durch eine zielgenaue und differenzierte Kundenansprache scheint die Öffnungsrate von E-Mails wesentlich höher zu sein.
So wird im Bericht “E-Mail-Marketing-Benchmark 2022” von inxmail.de festgestellt, dass die Öffnungsrate von E-Mails, die an einen kleinen Verteiler verschickt werden, um 30 Prozent höher ist als bei größeren Verteilern. Ein kleiner Verteiler entspricht in der Untersuchung einem Umfang bis zu 100 Empfängern, während ein großer Verteiler mit 10.000 Adressen angegeben wird.
Kundenbindung als Erfolgsfaktor
Untersuchungen beweisen außerdem die Relevanz von Stammkunden. Durch eine ordentliche Kundenbindung können Gewinnsteigerungen zwischen 25 und 85 Prozent erzielt werden – abhängig von der jeweiligen Branche. Die Wiederverkaufsrate steigt bei zufriedenen Stammkunden um fünf Prozent.
Es ist günstiger, bereits vorhandene Kunden zu binden, als auf Neukundenakquise zu gehen. Zeitgleich werden durch die Empfehlungen der bisherigen Käufer neue Interessenten angezogen. Ein weiterer Pluspunkt einer soliden Stammkundschaft ist, dass diese nicht so empfindlich auf Preiserhöhungen reagiert.
Unternehmen, die ihre vorhandenen Kunden binden wollen, haben bereits einen entscheidenden Vorteil. Sie kennen zumindest einige Details der Menschen oder der Firmen, die sich hinter den Käufen verbergen. Dadurch fällt eine individuelle Ansprache leichter.
Individualisierung in der Kundenansprache
Die persönliche Kundenansprache beschränkt sich allerdings nicht auf den Namen des Empfängers. Wichtig ist, dass die Unternehmen bereits einen Schritt früher einsteigen. Denn Abnehmer besitzen Präferenzen in Bezug auf ihre Kommunikationswege. Deshalb freuen sich 71 Prozent der potenziellen Käufer darüber, wenn ihr bevorzugter Kommunikationsweg angeboten wird. Demzufolge offerieren Unternehmen idealerweise verschiedene Arten an, wie sie mit dem Kunden in Verbindung treten können, wollen und werden.
Dabei ist allerdings Vorsicht geboten. Wird der bevorzugte Kommunikationsweg zwar theoretisch offeriert, in der Praxis aber eine andere Methode genutzt, dann strafen die Käufer dies ab. 41 Prozent haben in solchen Fällen bereits die Geschäftsbeziehung beendet.
Unternehmen sollten sich zusätzlich nach der präferierten Tageszeit für die Kontaktaufnahme erkundigen, denn auch eine Ansprache zum idealen Zeitpunkt wird honoriert.
Wer seine Abnehmer dauerhaft an sich binden möchte, der liefert in der individuellen Ansprache ausschließlich relevante Inhalte. Damit das gelingt, ist es notwendig, die Kunden mitsamt ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen im Fokus zu behalten.
Kein Unternehmen ist in der Lage, persönliche Nachrichten an jeden einzelnen Kunden manuell zu verfassen. Deshalb wird dafür gerne modernste Technologie eingesetzt. Auf Basis eines ausgeklügelten Algorithmus kann eine maßgeschneiderte Kundenkommunikation erzielt werden. Durch die Auswertung der vorhandenen Daten legt man nicht nur Anrede, Tageszeit und Kanäle fest, sondern manche Technologien sind sogar in der Lage, die Tonalität der Inhalte passgenau zu formulieren.
Individualisierung der Produkte
Die IFH Köln publizierte zusammen mit der KPMG eine Umfrage zur Produktindividualisierung. Dabei wurden folgende Ergebnisse festgehalten:
- Ein Drittel der Befragten hat bereits personalisierte Produkte gekauft.
- 47 Prozent interessierten sich für die individuellen Produkte.
- 24 Prozent hatten bisher kein Interesse an personalisierten Produkten und schlossen dies auch in Zukunft für sich aus.
In der Umfrage sollte herausgefunden werden, ob bestimmte Zielgruppen sich eher für individualisierte Waren und Dienstleistungen interessieren als andere. Und tatsächlich konnten einige interessante Schlussfolgerungen gezogen werden:
- Drei von vier Personen, die bisher bereits individualisierte Produkte gekauft haben, waren unter 40 Jahre alt. Außerdem hatten sie ein vergleichsweise hohes Haushaltsnettoeinkommen von über 3.000 EUR monatlich.
- Dagegen befanden sich die 47 Prozent der Interessierten in der mittleren Altersklasse und hatten in durchschnittliches Einkommen.
- Die 24-Prozent-Gruppe verfügte über ein Einkommen von unter 2.000 EUR netto. Mehr als die Hälfte dieser Personen war über 50 Jahre alt.
Es wurden obendrein die Branchen näher beleuchtet, in denen bisher die individualisierten Produkte erworben wurden. Meistens stammten die Artikel aus der Lebensmittelbranche. Gewürze, Müsli und Süßigkeiten wurden nach den persönlichen Bedürfnissen zusammengestellt und gestaltet. Diese Waren wurden vermutlich deshalb bereits überdurchschnittlich häufig individualisiert, weil es sich um Artikel aus dem Niedrigpreissegment handelt. Falls die Ergebnisse nicht gefallen, dann ist der Verlust nur geringfügig.
Gerade die jüngere Zielgruppe interessiert sich allerdings auch für individuelle Produkte aus dem Bereich Fashion und Accessoires. Diese sollen dazu dienen, sich von der Masse abzuheben. Beim Wohnen und Einrichten besteht ebenfalls Interesse an maßgeschneiderter Ware.
Individualisierung der Preise
Ein weiterer Punkt, den viele Unternehmen bisher kaum berücksichtigen, ist die Preisgestaltung. Ein Großteil der Anbieter offeriert seine Produkte zu einem Einheitspreis oder zu dynamischen Preisen. Während der Einheitspreis für alle Abnehmer immer gleich hoch ist, variiert der dynamische Preis abhängig von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel dem Angebot und der Nachfrage.
Beiden Optionen gegenübersteht das individualisierte Pricing. Hier spielen die Kundendaten eine entscheidende Rolle. Erwirbt ein Kunde mehrfach das gleiche Produkt, kann ihm beispielsweise automatisch ein bestimmter Rabatt eingeräumt werden. Es sind auch individuelle Preisabsprachen mit verschiedenen Abnehmern abbildbar.
Ein Unternehmen, dass sich auf die Individualisierung aller Ebenen spezialisiert hat, ist die Digital-Print-Group.de aus Nürnberg. Ihr Geschäftsführer Oliver Schimek erklärt, dass der Digitaldruck ermöglicht, dass sowohl Produkte als auch die Kundenansprache personalisiert werden. Je nachdem, mit welchen Daten der Drucker gespeist wird, produziert er maßgeschneiderte Anschreiben, Broschüren, Bücher, Magazine, Kataloge, Geschäftsberichte und Imagebroschüren. Die Firma bietet zudem die Option einer individuellen Preisgestaltung abhängig vom Kunden an.
Mit dieser Rundum-Individualisierungs-Strategie im Rahmen der Digitalisierung wird die bestmögliche Personalisierung geboten. Unternehmen, die bisher noch auf Massen-Marketing setzen, sollten sich mit einer möglichen Umstellung befassen. Denn bereits jetzt gelten maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen als zukunftsweisender Erfolgsfaktor. Allerdings ist es nicht zwingend notwendig, umgehend alle Bereiche der Kundenbeziehung zu individualisieren. Zunächst empfiehlt es sich, an einer persönlichen Ansprache zu arbeiten, bevor Produkte und Preise personalisiert werden.