Durch die Industrie 4.0 und die damit verbundenen neuen Arbeitswelten werden die Anforderungen an Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer vielfältiger. Neue Strategien wie beispielsweise das Work-Life-Blending können sehr gute Ansätze liefern, um den Anforderungen gerecht zu werden. Nicht jedes Unternehmen weiß jedoch, was sich hinter der Begrifflichkeit Work-Life-Blending verbirgt und welche Vorteile sich daraus sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer ergeben können.
Was genau bedeutet Work-Life-Blending?
Der Begriff Work-Life-Blending beschreibt die übergangslose Symbiose der Arbeits- und Lebenswelt eines Arbeitnehmers. Kernfokus dieser Strategie ist der Umstand, dass ein Arbeitnehmer seine genau definierten Arbeitsaufgaben mit seinen privaten Verpflichtungen verknüpfen kann. Wichtig hierbei ist, dass die jeweiligen Verpflichtungen des Arbeitnehmers sich sehr genau zuordnen lassen und dass dementsprechend der Arbeitnehmer erheblich entspannter seine Aufgaben wahrnehmen kann. Work-Life-Blending ist sowohl im Beruf als auch im Privatleben gleichermaßen in Rubriken aufgebaut, von denen jede einzelne Rubrik auch einzeln betrachtet werden muss.
Die festen Arbeitszeiten für die Mitarbeiter schaffte Microsoft bereits im Jahr 1998 ab. Inzwischen gibt es auch keine Anwesenheitspflicht im Büro mehr. Durch eine freie Arbeitsort- und Arbeitszeit-Wahl haben sich auch Größen wie die Deutsche Bank, SAP oder Google ins Gespräch gebracht. Der Video-on-Demand Anbieter Netflix geht sogar so weit, dass sich die Mitarbeiter die Anzahl ihrer Urlaubstage auf Vertrauensbasis selbst aussuchen darf.
Welche Vorteile hat das Work-Life-Blending für Unternehmen?
In der heutigen Zeit, in welcher der Fachkräftemangel vielerorts von den Unternehmen stark beklagt wird, hat das Recruiting von neuem Personal zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wie Studien belegen, lassen sich die jungen Führungskräfte und kreativen Köpfe dabei nur sehr bedingt durch die Gehaltsfrage ködern, sodass Unternehmen ihren Fokus dementsprechend auf anderweitige Kriterien legen müssen. Viele junge Menschen legen ihre Wertvorstellungen dabei auf ein gesundes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben oder auch auf die Möglichkeit aus dem Home Office zu arbeiten, was wiederum durch das Work-Life-Blending möglich wird.
Ein gut funktionierendes Work-Life-Blending-System hat für Unternehmen auch den Vorteil, dass die Arbeitnehmer sehr viel entspannter ihrer Arbeit nachgehen können. Gerade in Berufen, die von Kreativität der Arbeitnehmer leben, kann dies zu sehr viel besseren Arbeitsergebnissen führen und dementsprechend auch den Umsatz des Unternehmens merklich steigern. Es hat sich überdies in der Vergangenheit gezeigt, dass ein funktionierendes Work-Life-Blending zu einer Steigerung der Arbeitsmoral führt, da die Arbeitnehmer wesentlich zufriedener ihren Arbeitsverpflichtungen nachgehen.
Der Vorteil von Work-Life-Blending für Arbeitnehmer
Durch das Work-Life-Blending werden Arbeitnehmer in die Lage versetzt, eigenständig den Rhythmus der Arbeit zu bestimmen. Von flexiblen Arbeitszeitmodellen bis hin festgelegten freien Tagen innerhalb der Woche ermöglicht Work-Life-Blending ein hohes Maß an Flexibilität. Auch die Arbeit aus den heimischen vier Wänden heraus kann als Modell des Work-Life-Blending bezeichnet werden, was wiederum für den Arbeitnehmer ein hohes Maß an Vereinbarkeit zwischen Berufsleben und privaten Verpflichtungen mit sich bringt.
Das Problem beim Work-Life-Blending
Obgleich sich das Work-Life-Blending auf den ersten Blick wie eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellt, so gibt es zugleich auch kritische Seiten. In der urtypischen Betrachtung der Bezeichnung findet sich nämlich nicht nur eine reine Beschreibung der Strategie, sondern zugleich auch eine Bewertung. Während das eine Lager sehr erfreut über die Möglichkeit der flexiblen Arbeitsausübung ist, sieht das andere Lager wiederum diese Strategie als reine Dystopie. Kritiker der Strategie beschreiben die Sorge, dass bei dem Work-Life-Blending der Kernpunkt „Work“ definitiv im Vergleich zum „Life“ automatisch kürzer kommen müsste, da Arbeitnehmer dieses Prinzip ja in Anspruch nehmen, um ihren privaten Verpflichtungen besser nachkommen zu können. Dementsprechend würden diese Arbeitnehmer dem Privatleben eine höhere Priorität einräumen, als den beruflichen Verpflichtungen, sodass im direkten Vergleich der Beruf stets an zweiter Stelle kommt.
Aus Arbeitnehmersicht kommt es häufig aber ganz anders: Mit dem Ziel einer guten Work-Life-Balance, also einem perfekten Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit, verursacht der fließende Übergang von Arbeits- und Privatleben keine strikte Trennung der Bereiche mehr. Es besteht die Gefahr, dass es nicht mehr zum „Blending“ (Vermischung) kommt, sondern zu einer Überlagerung und Verdrängung.
Risiken und Chancen durch das neue Arbeitszeitmodell
Unabhängig davon, von welcher Seite aus das Work-Life-Blending betrachtet wird, ist das Prinzip nicht gänzlich neu. Schon seit Einführung der Industrialisierung haben Unternehmen versucht, durch Prozesse, welche gewisse Prioritäten und Privilegien einräumen sollen, die besten Arbeitnehmer für sich zu gewinnen. Überdies ist das Work-Life-Blending, auch wenn es in einem Unternehmen bereits seit einiger Zeit praktiziert wird, kein Selbstläufer. Bedingt durch den Umstand, dass jeder Arbeitnehmer ein Individuum ist und dementsprechend individuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten „seines“ Work-Life-Blendings umzusetzen versucht, kann es zu Problemen in Unternehmen führen. In einigen Branchen wie beispielsweise im medizinischen Bereich oder im öffentlichen Dienst kann das Work-Life-Blending aus Organisationsgründen überhaupt nicht eingeführt werden, da sonst das Kernaufgabengebiet des Unternehmens oder der öffentlichen Einrichtung gar nicht ausgeübt werden kann. Das Arbeitszeitmodell ist somit auf Branchen beschränkt, deren Unternehmen sich diese Form der Flexibilität auch leisten können.
Das klassische Nine-to-Five-Modell hat vielerorts ausgedient. Work-Life-Blending kann jedoch auch zur Missgunst und Unzufriedenheit im Personalbereich führen. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer „sein“ Work-Life-Blending zur vollsten eigenen Zufriedenheit ausführen kann, während ein anderer Arbeitnehmer aus Organisationsgründen Abstriche machen muss. Es ist dann die Aufgabe des Unternehmens, die Gleichbehandlung aller Mitarbeiter vollumfänglich zu gewährleisten, ohne dabei die eigenen Interessen zu vernachlässigen.
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